Segnung des Sandsteinkreuzes auf dem Friedhof Bisingen
Vortrag über historischen Fund
jw: Vor etwa 40 interessierten Mitbürgern segnete Dekan Michael Knaus das neuerstellte Sandsteinkreuz auf dem Bisinger Friedhof. Im Anschluss daran trafen sich alle im kleinen Saal der Hohenzollernhalle zum geschichtsfundierten Vortrag durch Kreisarchivar Dr. Uwe Folwarczny, wo das Geheimnis der Zeitkapsel gelüftet wurde.
Bürgermeister Roman Waizenegger zeigte sich über die große Anteilnahme aus der Einwohnerschaft überrascht und zugleich auch erfreut. Ihm ob lag der Willkommensgruß an alle Anwesenden als auch Ehrengäste zur gemeinsamen Veranstaltung der Gemeinde und dem Heimatverein Bisingen-Steinhofen. Die Restaurationsarbeiten seien abgeschlossen und die Replik des aus Maulbronner Sandstein gefertigten Kreuzes mitsamt dem großen aus Stein bestehenden Originalsockel von 1876 stehe nun wieder an gewohnter frisch gepflasterten Stelle vor der Friedhofskapelle, während das Originalkreuz in der witterungsgeschützten Aussegnungshalle platziert wurde.
Der mit der Restaurierung beauftragte Steinmetz Eger wollte eine Schadhafte Stelle im Postament des Kreuzes ausbessern und stieß hierbei auf eine 6 cm kleine Flaschenpost sowie ein kleines Kästchen.
Hingegen sei das gefundene historische Schriftstück (gerolltes beschriebenes Stück Papier als Flaschenpost) von einem Restaurator in Kornwestheim aufgearbeitet und beinhaltete Interessantes aus damaliger Kulturkampfzeit, worunter auch der Ort Bisingen zu leiden hatte. Die Sorgen und Bedrängnisse waren schriftlich festgelegt.
Um die Tradition der Hinterlassenschaft (Zeitkapsel) zu wahren, werde in das neuerstellte Kreuz neben dem historisch vorliegenden Text weitere Daten und Fakten zur Infrastruktur Bisingens (wie z.Bsp. Einwohner, Lebenshaltungskosten, Finanzlage, Starkregenereignis 2024, Wahlergebnisse und Maute Areal) eingesetzt. Die Restaurationskosten beliefen sich auf € 24.900,-- plus der neue Korpus Jesus € 1.000,-- was durch die Gemeinde investiert wurde. Sowohl Fundort als auch die einstige Vorgehensweise deuten auf einen ausgeklügelten Plan hin, dessen Umsetzung allerhand Werkzeug und Fachkenntnis erfordert habe. In seiner Ansprache würdigte und bedankte sich BM Waizenegger bei allen an der Restaurierung und Geschichtsaufbereitung beteiligten Personen, vorneweg Dipl. Restaurator Frank Eger (Ostdorf) mit Team und Kreisarchivar Zollernalbkreis Dr. Uwe Folwarczny, nicht zuletzt dem Gemeinderat für dessen richtige Entscheidung in dieser Angelegenheit sowie Sabine Neumann, die für die Friedhofsverwaltung auf dem Rathaus zuständig ist.
Innerhalb des „kleinen Gottesdienstes“ auf dem Friedhof durfte Dekan Michael Knaus –es war eine seiner letzten Amtshandlungen im Kirchspiel- mit Unterstützung Roman Waizenegger als Ministrant die offizielle Segnung des Kreuzes vornehmen. Dabei sprach er zunächst Texte aus dem Philipperbrief des Apostels Paulus aus dem Neuen Testament, zum gemeinsamen Gebet „Vater unser“ aufrufen, bevor dieser mit Weihwasser das religiöse Symbol bespritzte und die Segensworte sprach. Der Friedhof, wo die Toten begraben sind, sei neben Begegnungsstätte auch ein Ort, der zur Erinnerung und zur Mahnung aufrufe. Die christliche Botschaft bestehe seit über 2000 Jahren und ermuntere zum Glauben.
Im darauffolgenden Vortrag im kleinen Saal (HZ-Halle) ging es dann ausschließlich um den historisch wertvollen Fundus aus 1876, welcher in der Aussparung des Steinsockels rund 150 Jahre versteckt war. Das kleine Büchlein litt unter dem Wasserschaden so sehr, dass es nicht mehr erhaltenswert war. Dafür aber das Schriftstück geschützt in einer kleinen 6cm großen Flasche, die durch die schräge Lagerung kein Wasser abbekam. Kreisarchivar Dr. Uwe Folwarczny informierte die interessierte Besucherschar über die Ergebnisse seiner fundierten Recherchen in dieser Sache. Es drehe sich um die damals herrschende Kulturkampfzeit in dem Hohenzollernschen Lande, wo es mächtige Auseinandersetzungen zwischen Obrigkeit der protestantisch geprägten Preußischen Staatsmacht –ab 1850- und katholischer Kirche gab, die in ihren Handlungen und Ausführungen kontrolliert und eingeengt werden sollten. Sorgen und Bedrängnisse wurden darin beschrieben.
So erhielt am 12.3.1876 Pfarrer Joseph Speh (er kam 3 Jahre zuvor als Pfarrkurat nach Bisingen und blieb bis 1885) vom Präsidenten der königlich Preußischen Regierung in Person von Regierungspräsident Graf ein Ukas (Anordnung, Weisung): „Euer Hochwürden werden von dem ihnen übertragenen Amte eines Local-Schul-Inspectors zu Bisingen und zugleich auch von den Funktionen eines Religionslehrers entbunden“. Er durfte danach weder Religionsunterricht beaufsichtigen noch selbst lehren. Diese Mitteilung bekam er zufälligerweise im Beichtstuhl überreicht. Die Bürger begehrten die Zurücknahme des Erlasses, wollten zumindest den Grund für dieses Verbot wissen. Pfarrer Speh wagte es jedoch außerhalb der Schulzeit in der Kirche zu lehren, zumal er die gottlose Erziehung der Kinder nicht anerkannte.
Der Kreisarchivar holte aus und wusste noch vieles aus damaliger Zeit zu berichten, was in der Region unter preußischer Politik alles passiert ist. Vieles stamme aus den seinerzeitigen Ausgaben der Zeitung „Der Zoller“. Mittels projizierten Aufnahmen wusste er seine Aussagen zu bereichern. Erst nach etwaigen Entspannungen und Lockerungen gegenüber der kirchlichen Seite kam wieder eine Versöhnung zustande.
Anschließend bestand für die Anwesenden noch die Möglichkeit die eine und andere themenbezogene Frage zu stellen, die an Ort und Stelle beantwortet wurde.
Die Auswertung des Kreisarchivars ergab:
- das Kreuz wurde 1876 von der Pfarrgemeinschaft Bisingen errichtet und zum Feiertag Maria Himmelfahrt am 15.8. durch Pfarrkurat Joseph Speh eingeweiht. Die Einweihung fand „unter ungeheurem Zulauf des Volkes statt“
- Stifter des Kreuzes war Johannes Friedrich Bartholomä und Helena Vogt
- Angefertigt wurde das Kreuz von Steinhauer Fabian Schwabenthan aus Steinhofen
- Die Errichtung des steinernen Kreuzes wurde durch Amtsvogt Roman Haug aus Grosselfingen „zur Zierde des Gottesackers“ angeregt. Nach seiner Zeit als interimistischer Vogt in der Gemeinde war Amtsvogt Roman Haug ab 1880 Rendant des allgemeinen Kirchenfonds in Sigmaringen und später Revisor des Erzbischöflichen Ordinariats Freiburg
- Zum damaligen Zeitpunkt zählte die Gemeinde ca. „850 Communicanten, 33 Bürger, 1300 Seelen“
Bilder: J. Wahl